Das Freiwasserschwimmen erlebt gerade in Zeiten von Covid19 und der damit bedingten temporären Schließung der Schwimmbäder eine wahre Hochsaison. Auch reine Beckenschwimmer sowie Schwimmanfänger wagen sich diese Saison ins offene Gewässer. Doch die neuen Trainingsbedingungen stellen selbst erfahrene Schwimmer vor neue Herausforderungen.
Ich rate dazu im Freiwasser die eigene beste Technik zu schwimmen, wie im Pool. Die Schwierigkeit im Freiwasser besteht insbesondere darin, nach dem Orientierungsblick gleich wieder in die optimale Technik zurückzukommen und sich so nahe wie möglich an der Pooltechnik zu orientieren. Dafür ist es wichtig die Wasserlage gut zu halten, das heißt die Arme und Beine nicht zu stark abzusenken. Beim Kraulschwimmen ist es daher fundamental gut zu rotieren um die Längsachse und die Arme locker zurückzuführen. Bei der Beinarbeit sollte man ökonomisch arbeiten: nicht zu stark die Beine einsetzen, da sonst ein Energieverlust droht, aber stark genug, dass sich der Körper nicht zu sehr abkühlt.
Um die Ausdauer zu trainieren, rate ich dazu die Umfänge zu erhöhen. Der Schwimmer sollte sowohl die Trainingskilometer steigern als auch längere Teilstrecken einbauen. Dafür kann man die Ausdauer an Land verbessern mit unspezifischen Trainingseinheiten wie Laufen und Radfahren. Wichtig ist es dabei, die Rumpfkraft zu verbessern und die Kraftausdauer der Arme bspw. mittels Zugseil, Liegestütze, Pilates oder auch Crossfiteinheiten. Neben der Kraftausdauer der Arme ist die Flexibilität des Rumpfes ein wichtiger Punkt. Dies kann mittels Hüftbeuger trainiert werden durch das Aufrichten und Hochschauen. Im Freiwasser besteht die Gefahr zu überdrehen. Das Bewegungstraining an Land kann hier helfen die Brustmuskulatur aufzudrehen.
Ich empfehle allen angehenden Freiwasserschwimmern die Atemtechnik im Pool zu trainieren, bevor man im Freiwasser startet. Die Empfehlung ist hier ein ständiger Wechsel von Links- und Rechtsatmung mit Orientierungsblick. Das heißt, mache drei Schwimmzüge und schaue nach links, mache drei weitere Züge und schaue nach rechts. Wichtig ist es variabel zu sein und den Rhythmus so zu gestalten wie es gerade durch die externen Bedingungen verlangt wird. Im Freiwasser heißt es flexibel zu sein, denn Wind, Wellen und Umweltreize können sich ständig verändern. Der Schwimmer muss seinen Rhythmus und seine Atemtechnik auf die jeweiligen Bedingungen anpassen können.
Der Schwimmer ist im Becken daran gewöhnt bei der Wende kurz durchzuschnaufen, die Belastung ist für eine kurze Zeit reduziert, die Herzfrequenz ist gesenkt, der Körper erholt sich. Das Fehlen der Wende im Freiwasser stellt den Schwimmer also vor eine neue Herausforderung. Es heißt hier dauerhaft zu arbeiten und die Trainingseinheiten im Freiwasser ganz langsam zu steigern. Starte mit 1 min Schwimmen kurze Pause, 2 min Schwimmen kurze Pause, 3 min Schwimmen kurze Pause und so weiter um den Körper langsam an die anhaltende Belastung im Freiwasser zu gewöhnen und eine vorzeitige Verausgabung zu vermeiden.
Im Freiwasser ist der Anteil der Armarbeit sehr hoch, darum gilt es bereits im Pool die Kraftausdauer der Arme zu verbessern. Ein Tipp ist es hier Bremsmittel einzusetzen, wie eine Bremshose oder einen Fallschirm. Diese sollten aber nur im Training vorab im Pool eingesetzt werden.
Ein nützliches Hilfsmittel sind GPS-Uhren, die dem Schwimmer ermöglichen genau zu messen, wie weit und schnell er geschwommen ist sowie Bojen, die sowohl bei Schwäche ein “Notanker” sind, um sich festzuhalten als auch ein optisches Signal, um von Booten, Jetskis und anderen potenziellen Gefahrenquellen im Meer und See gesehen zu werden. Erfahrene Freiwasserschwimmer können auch Handpaddles einsetzen, dazu sollte aber die Kraftausdauer der Arme bereits gut trainiert sein.
Allgemein rate ich dazu, so früh wie möglich mit dem Freiwassertraining zu beginnen. Dies gilt sowohl für das Alter des Schwimmers als auch die Jahreszeit. Je früher der Schwimmer im Jahr mit dem Freiwasser startet, umso eher wird er sich an die Wassertemperatur gewöhnen und sich abhärten können. Ein häufiger Wechsel der Bedingungen (See, Salzwasser, starke Wellen, Fluss, Strömung) macht flexibel und bereitet den Schwimmer auf alle Eventualitäten vor.
Man sollte nie allein im Freiwasser schwimmen, sondern immer einen Beobachter bzw. Trainingspartner an Land oder im Wasser ( bspw. mittels Stand Up Paddle) dabei haben sowie – wenn möglich – eine Boje als Signal.
Eine große Hilfe bei geringen Wassertemperaturen ist natürlich der Neoprenanzug. Dennoch empfiehlt es sich zur Abhärtung auch immer mal ohne Neoprenanzug zu schwimmen. Auch wenn es sich anfangs nur um kurze Distanzen handelt, können bereits 10 min Schwimmen bei Kälte genügen, um den Körper an die Temperaturen zu gewöhnen und langsam abzuhärten. Hilfreich ist es hier schon, zum Beispiel nach dem Training im Neopren nochmal eine kurze Runde ohne Neo zu schwimmen und dies dann langsam zu steigern.
Unser Jugend DSV Team hat bereits Ende April bei 14 Grad mit dem Freiwassertraining begonnen. Und einige der jungen Schwimmer sind dabei sogar ohne Neopren ins Wasser gegangen :-).