Kaltwasserschwimmen – Was bringt mir das?

Aus dem Leben eines Schwimmers
Geschrieben von: Colin Hill at 15 Januar '15 0
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Vermutlich sollte ich erstmal definieren, was ich unter Kaltwasserschwimmen verstehe. Für manche ist das Schwimmen in offenen Gewässern um die 16° Celsius schon kalt. Für mich heißt Kaltwasserschwimmen allerdings Winter- oder Eisschwimmen, das heißt: maximal 5° Celsius und kein Neoprenanzug.

Wenn man so wie ich in Großbritannien lebt und ganzjährig schwimmen will, warum nicht auch im Winter draußen schwimmen? Rund um die Olympiade 2012 lebte und arbeitete ich für zwei Jahre in London. Während dieser Zeit war ich Mitglied des Serpentine Swimming Clubs in Londons Hyde Park. Diesen Verein gibt es schon seit 100 Jahren – und seitdem schwimmt dort jeden Tag im Jahr jemand ohne Neoprenanzug. Frauen und Männer teilen sich die Umkleide, eine kleine Hütte am See. Und im Winter gibt es heißen Tee für alle, die sich ins eisig kalte Wasser trauen.

Winterschwimmen lebt von der Gemeinschaft: Du baust an diesen kalten, dunklen Morgen wunderbare Freundschaften auf, wenn du gemeinsam durch Regen und Schnee läufst um dann in 3° Celsius kaltes Wasser einzutauchen. Außerdem gibt es da noch dieses wohlige Gefühl direkt nach dem Schwimmen. Die erfahrenen Eiswasser-Schwimmer hängen allerdings anschließend nicht zum Quatschen herum: Man braucht die Disziplin, sich gleich danach warm anzuziehen, um den Körper Stück für Stück aufzuwärmen.

Ich habe inzwischen an drei Winterschwimm-Weltmeisterschaften in London, Lettland und Finnland teilgenommen. Die Wettrennen gehen von 25 Metern Brustschwimmen (Kopf oberhalb des Wassers) über 50 Meter Freistil hin zu meinem persönlichen Favoriten, dem Ausdauerschwimmen über 450 Meter. Die Regeln: Kein Eintauchen, keine Rollwende und keine Neoprenanzüge. In Finnland wurde der Pool aus dem Eis ‘ausgeschnitten‘ – und ein extra Team kümmerte sich darum, sich frisch bildendes Eis wegzuschaufeln. Die Rennen (inklusive Staffeln) gingen über drei Tage – mit viel Programm am Abend.

Um mich auf solche Events vorzubereiten, suchte ich Hochgebirgsseen im Lake District Großbritanniens auf. Halb-vereiste Seen zu finden half mir, mich daran zu gewöhnen, wie die Wassertemperatur auf meinen Körper wirkt. Vor der WM nahm ich auch an einem Winterschwimm-Wettkampf in Sibirien teil (Lufttemperatur -15°, Wassertemperatur 0° Celsius). Bestandteil war dort auch Langstrecken-Eisschwimmen: Dort kam ich auf 1400 Meter, bei über 20 Minuten in 0° Celsius kaltem Wasser.

Winterschwimmen hört nicht damit auf, aus dem Wasser zu kommen. Das Gefühl bleibt noch stundenlang und bei extremem Eisschwimmen kann die Erholungsphase lange dauern: Man bringt den Körper erst nach und nach wieder auf die gewohnte Temperatur. Ganz ehrlich, es kann eine ziemlich schmerzhafte Erfahrung sein, wenn das warme Blut wieder in die Gliedmaßen zurückfließt.

Nichtsdestotrotz erfreut sich Winterschwimmen wieder großer Beliebtheit in Großbritannien. Ich konnte sogar mein eigenes Event auf die Beine stellen: ‘The Big Chill Swim‘ in Windermere mit Schwimm-Wettbewerben und Teilnehmern aus Lettland, Finnland, Russland, Südafrika, Deutschland und England.

Das nächste Mal, wenn dir also im Pool zu Beginn ein wenig kalt ist, erinnere dich einfach daran: Wenn das Eis gebrochen werden kann, kann man auch drin schwimmen!

Warnung: Natürlich muss man den gesunden Menschenverstand einschalten, wenn man in eisigem Wasser schwimmt. Es dauert einige Zeit, die nötige Erfahrung zu sammeln, die man für längere Distanzen braucht. Kurze Einheiten sind für die Meisten genug und man muss sich der Unterkühlungsgefahr bewusst sein und darf diese auch nicht unterschätzen. Am besten, man tut sich mit anderen Winterschwimmern zusammen und genießt kurze Bäder im kalten Nass.

Schaut euch an, wie Colin in Red Tarn im englischen Lake District schwimmt.

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Geschrieben von:

Colin Hill

In 2008 Colin set up the UK’s largest mass participation open water swim, with 10,000 swimmers taking part in the Great North Swim. In 2011 he moved to LOCOG at the London 2012 Olympic Games as Marathon Swimming Technical Operations Manager. He now runs his own company called CHILLSWIM which specilises in open water swimming events in the UK, including a 5.25 mile mass participation length of lake swim, Big Chill Swim an official ‘International Winter Swimming Race' attracting over 800 entries and acts as a guide for length of lake swims in the Lake District, UK. Chillswim has also worked with various televised programs promoting open water swimming. Following the London Olympics, Colin also became FINA’s Open Water Swimming Consultant.